Wie fleißig sind Honigbienen?

Autor: Prof. Dr. Jürgen Tautz
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Wer vor einem summenden Bienenstock steht und den emsigen Flugverkehr der Sammelbienen betrachtet, kann auf den ersten Blick eigentlich nur bestätigen, dass die Honigbienen „bienenfleißig“ sind. Hält ein solcher Eindruck aber einer genauen Nachprüfung stand? Wie soll sich überhaupt der Fleiß der Bienen ausdrücken?

Ausflüge als Anhaltspunkt

Ein vernünftiger Anhaltspunkt scheint die Anzahl der Ausflüge zu sein, die eine Sammelbiene bei guten Bedingungen täglich durchführt. Der Leiter der Wiener Imkerschule Theodor Weippl hatte sich mit dieser Frage befasst und im Jahre 1928 im Archiv für Bienenkunde (Band 9, Seiten 70-79) Messungen und Berechnungen angestellt. Anhand der verbrauchten Menge an Honig und Pollen sowie der Menge des erzeugten Wachses kalkulierte er einen Wert von täglich 2,8 Ausflügen für jede Arbeitsbiene über eine Zeitspanne von 21 Tagen. Dieser Wert erschien uns so niedrig, gerade unter der Vorstellung der „fleißigen Biene“, dass wir der Sache vor vielen Jahren noch einmal nachgegangen sind.
Unsere Skepsis an Weippls Wert kam vor allem dadurch zustande, dass man im Dressurexperiment einzelne Bienen dazu bringen kann, erheblich mehr Tagesausflüge zu unternehmen. Ist dieser Eindruck aus dem künstlichen Dressur-Experiment aber typisch für die Verhältnisse in einem frei sammelnden Bienenvolk? Sind die Bienen also „faul“ oder „fleißig“?

Ein Experiment soll zeigen: Sind Bienen überhaupt fleißig?

Im Sommer 1999 hatten meine Doktorandin Corinna Thom, der Gastforscher Thomas Seeley von der Cornell-University und ich diesen Punkt aufgegriffen, indem wir in einem Bienenvolk von 4.000 Tieren, untergebracht in einem Beobachtungsstock, markierte Sammelbienen von 5.00 Uhr früh bis 19.00 Uhr abends (u.U. bis 21.00 Uhr, aber immer bis zum Ende der Sammelaktivität) beobachtet haben. Dabei waren es vor allem zwei Aspekte, die uns interessierten: Wie viel Prozent der Sammelbienen gehen tatsächlich auf Sammelflüge und wie oft verlässt jede Sammelbiene täglich den Stock? Die Beobachtungen fanden über sechs Zeiträume von je 3 Tagen gleichmäßig verteilt über Mai, Juni und Juli statt.

Teamwork: Das Erfolgsgeheimnis der Honigbiene

Je nach Witterung, Futtersituation im Stock und Trachtangebot, gingen zwischen 0 % und 70 % der Bienen des Volkes auf Sammelflüge. Verfolgten wir aber 50 rein zufällig herausgegriffene Tiere rund um die Uhr, so zeigte sich Überraschendes: Die mittlere Anzahl der täglichen Ausflüge lag bei 3,4 Ausflügen. Dabei absolvierte die fleißigste Biene 10 Ausflüge an einem Tag, etliche Bienen nur einen einzigen Ausflug und die unter diesem Aspekt stärkste Bienengruppe 4 Ausflüge täglich. Das ist kein „Bienenfleiß“.
Skeptiker dieser Betrachtung mag die folgende grobe Berechnung umstimmen: Nehmen wir an, dass ein starkes Volk im Sommer einen Tagesrekord von 5 Kilogramm Nektar eintragen kann. Nehmen wir weiter an, das Volk besteht aus 50.000 Tieren, eine Volksstärke die im Sommer nichts Ungewöhnliches darstellt. Nehmen wir weiter an, dass die Hälfte aller Bienen an dem betrachteten Tag auf Sammel-Tour geht. Da eine Biene pro Sammelflug im Mittel 50 Milligramm Nektar einträgt, lässt sich die Anzahl der erwarteten Sammelflüge leicht ausrechnen: Für jedes Gramm müssen die Bienen 20-mal fliegen, für 5 kg also 100.000-mal (20 mal 5000). Bei 25.000 Sammelbienen ergibt das pro Sammelbiene 4 Ausflüge täglich. Dieser auf der Basis realistischer Annahmen geschätzte Wert ist identisch mit der durch Beobachtungen erhaltenen Ausflugshäufigkeit der Bienen. Das Bienenvolk insgesamt vollbringt erstaunliche Leistungen, auch auf dem Sektor des Nektareintrags. Die Einzelbiene jedoch, und das mag manchem tröstlich erscheinen, ist eher „faul“.
Literatur:
Eine ausführliche Publikation hierzu ist erschienen unter Thom, C., Seeley,T. & J.Tautz: Dynamics in the allocation of labor towards nectar foraging in a honey bee colony (Apis mellifera carnica) Apidologie 31, 737-738, 2000.
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